Friedensgespräche 2023

Linzer Friedensgespräche 2023
Klimawandel und Konflikte - Wie wir Klima schützen und Frieden schaffen

Freitag 27.1.2022 von 14.00 – 19.00 im Wissensturm (VHS Linz)

Aufzeichnung der Veranstaltung von dorf-tv am Ende dieser Seite


Die Beeinträchtigung des Klimas durch Gewaltkonflikte wie den Ukraine-Konflikt einerseits sowie die Zunahme drohender Konflikte durch Klimafolgen und Ressourcenknappheit und die dringende Notwendigkeit, etwas für den Klimaschutz zu tun und gemeinsam dafür einzutreten, standen im Mittelpunkt der diesjährigen Friedensgespräche, die nunmehr zum vierten Mal von der Arbeitsgemeinschaft Linzer Friedensgespräche in Kooperation mit Vereinen und Medienpartner*innen im Wissensturm organisiert wurden. In Impulsvorträgen, Workshops und einer abschließenden Podiumsdiskussion stellten die Friedensgespräche dabei die Frage nach den Zusammenhängen von Klima, Konflikten und Frieden und diskutierten Möglichkeiten einer gemeinsamen Klima- und Friedenspolitik zur Stabilisierung unserer Gesellschaften und zum Schutz der Umwelt. Mit Astrid Sahm, Politologin und Gastwissenschaftlerin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Martin Auer von den Scientists for Future und der Klimaaktivistin und Autorin Lena Schilling waren drei Expert*innen in den Wissensturm geladen, die aus einer jeweils anderen Perspektive die Thematik in den Blick nahmen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Maria Dietrich, Vortständin der Volkshilfe OÖ und Teil der AG Linzer Friedensgespräche. Nach einer kurzen Begrüßung und Einführung ins Thema startete die Veranstaltung mit den Impulsvorträgen.

Die Keynotes

„Die Klimakatastrophe ist an sich eine Folge struktureller Gewalt“, eröffnete Martin Auer von den Scientists for Future seine Keynote, insofern als der Mensch die Natur ausgebeutet und sich zu eigen gemacht hat. In seiner Keynote ging er dann auf die Klimakatastrophe als Treiber von Konflikten ein, insofern, als die Klimakatastrophe neue Formen alter Konflikte hervorbringt wie die zunehmenden Konflikte um Wasser und Rohstoffe. Schon heute ist der Zugang zu Wasser in vielen Regionen der Erde umstritten, die Auseinandersetzungen nehmen zu und immer mehr Menschen sterben durch verschmutztes Wasser oder in Folge von Konflikten um Wasser. Als Beispiel nannte er u.a. den drohenden Konflikt zwischen Tibet, Indien und China um das, durch die Himalaya-Schmelze, immer geringer werdende Wasser aus dem tibetischen Hochland. Aber auch im Syrienkonflikt habe sich gezeigt, dass Klimawandel, im Falle von Syrien war es die von 2006 bis 2011 anhaltende Dürre, potenziert um Faktoren wie Armut, Arbeitslosigkeit und politische Instabilität die politische Krise verstärken und zum Ausbruch von Konflikten beitragen kann.

Neben der steigenden Wasserknappheit, ist der zunehmend knapper werdende Zugang zu „kritischen“ Rohstoffen, wie Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel und seltenen Erdmetallen ein potenzieller Konflikttreiber. Als Folge der Energiewende und der Digitalisierung steigt die Nachfrage nach Rohstoffen drastisch. Doch diese sind in der Erdkruste ungleich verteilt. Auch für die Europäische Union steigt die geopolitische Bedeutung „kritischer Rohstoffe“ im Zeitalter der Dekarbonisierung stark. Auer erwähnte in diesem Zusammenhang den Green Deal der EU, der ohne den Einsatz kritischer Rohstoffe nicht möglich sein wird. Viele dieser Rohstoffe müssen aus dem Ausland bezogen werden und die globale Konkurrenz darum wird immer erbitterter. In diesem Zusammenhang ging er auch auf die Rohstoffreserven der Ukraine - vor allem das große Lithiumvorkommen - vor allem in den von Russland besetzten Gebieten u.a. in der Region Donezk - ein und auf die Intention Putins, Europa den Zugang zu diesen Reserven abzuschneiden.
Der Abbau von Rohstoffen ist aber nicht nur umkämpft, er hinterlässt auch unübersehbare Schäden für die Umwelt wie beispielsweise der Lithiumabbau in der Atacama-Wüste in Chile. Dort entzieht der enorme Wasserverbrauch der Lithiumförderung der Region Wasser im großen Stil, was zu massiven Auswirkungen im lokalen Ökosystem führt.

Mit der prognostizierten Zunahme der E-Mobilität und dem dadurch steigenden Bedarf nach „kritischen“ Rohstoffen wird auch der Druck, sich diese Rohstoffe zu besorgen, immens steigen. Eine Änderung der Energiebasis wird, so Auer, am Wettlauf um Ressourcen nichts ändern. Er wird sich nur verlagern: von Öl, Gas und Kohle hin zu anderen Rohstoffen. Und es geht bei diesem Wettlauf nicht nur darum, die Verfügung über diese Materialien zu erlangen, sondern auch um die Beherrschung des Marktes. Im Abschluss seiner Keynote betonte Auer, dass unser auf Wachstum basierendes Wirtschaftssystem damit nicht nur an seine eigenen Grenzen stößt, sondern auch an die Grenzen des Planeten. Und er plädierte – vor allem auch im Hinblick auf eine dauerhafte Sicherung des Friedens - für ein auf Degrowth ausgerichtetes Wirtschaftssystem, das - eingebettet in ein demokratisches System und mit Focus auf Gemeinwohl -  festlegt, welche Bedürfnisse vorhanden sind und wie man sie bedienen kann.

Astrid Sahm, Politologin und Gastwissenschaftlerin an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP), ging in ihrer Keynote auf den Zusammenhang von Russlands Krieg gegen die Ukraine und dem Klimawandel ein. Die Gründe für den Ukraine-Konflikt seien nicht eindimensional, so Sahm, sondern vielschichtig. So wurde u.a. in den 90er Jahren die Chance nicht genutzt, eine neue Friedensordnung in Europa aufzubauen. Daneben haben das Scheitern der russischen Transformation des Wirtschaftssystems, in dem Sinn, dass die russische Wirtschaft selbst von Rohstoffexporten abhängig ist und keine anderen Wertschöpfungsquellen von großer Bedeutung im Land hat, und die russische Unfähigkeit, „Softpower“ zu entwickeln, d.h. attraktiv für das regionale Umfeld zu werden, sodass es keines Zwangs bzw. Energiesubventionen bedürfte um Kooperationsbeziehungen zu bestreiten, dazu beigetragen. Nicht zuletzt hätten die Erfahrungen Putins im Zusammenhang mit dem Euro-Maidan 2014 dessen Entscheidung, vermehrt auf Militärintervention zu vertrauen, bestärkt.

Wie bereits Martin Auer, betonte Astrid Sahm, dass auch die Klimaschutzpolitik selbst nicht frei von Konflikten und geopolitische Konnotationen ist. Sie zeigte – unter Anführung eines Zitats der EU Kommissare für Außenpolitik und Wirtschaft Frans Timmermanns und Josep Borrell vom April 2021 zur geopolitischen Dimension des Green Deals - dass sich die EU bewusst war, mit dem Green Deal Konflikte zu verschärfen. Insofern als die Einstellung von Energieimporten auch zur Folge hat, dass sich das Einkommen geopolitischer Mächte wie z.B. Russland reduziert und der Verlust dieser zentralen Einkommensquelle in Zukunft zu Unsicherheiten und Instabilität führen wird. In Zeiten einer Zunahme multipler Krisen, so Sahm, die wechselseitig miteinander zusammenhängen, könnte man es sich nicht mehr erlauben, sich auf eine einzelne Krise, die gerade „akut“ ist, zu konzentrieren. Die Ukraine-Krise hätte das vor Augen geführt, insofern als sie stak mit politischen Krisen, der Erstarkung autoritärer Regime in Osteuropa aber auch in anderen Regionen der Welt zusammenhängt oder zeitgleich mit diesen passiert.

In der Ukraine selbst sind viele durch den Krieg entstandene direkte Umwelt-beeinträchtigungen sichtbar, nicht zuletzt auch festgehalten durch ein intensives Monitoring seit Kriegsbeginn. So hat beispielsweise die ukrainische Umwelt-NGO „Ecoaction“ bereits im ersten Kriegsmonat 84 Umweltverbrechen festgehalten: 36 gegen Industrieobjekte, die auf die Zerstörung von Infrastruktur zielten und Schadstoffe freisetzen, 29 gegen die Energiesicherheit, 7 gegen Meeresökosysteme wie beispielsweise die Verminung der Küstengebiete, 6 gegen nukleare Objekte u.a. durch den Beschuss von AKWs , 5 gegen Landökosysteme sowie 1 gegen Tierzucht  durch die Verseuchung landwirtschaftlicher Boden, oder das Verhungern von Tieren infolge von Stromausfällen bei automatisierter Fütterung.
Als weiteres Beispiel nannte Sahm die vom Ukrainischen Umweltministerium im Sommer 2022 dokumentierten 257 Umweltverbrechen. In diesem Zusammenhang betonte sie die Wichtigkeit des Begriffs Umweltverbrechen, insofern diese, nach einem Zusatzabkommen zum Genfer Abkommen – sofern geziert herbeigeführt um Kriegsvorteile zu erreichen – geahndet werden und damit auch Kompensationen eingefordert werden können.

Astrid Sahm beendete ihre Keynote mit einem Ausblick auf mögliche Chancen die Konflikte wie der Ukraine-Konflikt beinhalten und sie appellierte, diese Chancen auch zu nutzen. Zum einen beinhalte es eine Chance, auf internationaler Ebene Schlussfolgerungen zu ziehen und internationales Völkerrecht weiterzuentwickeln. Auf EU-Ebene mache der Konflikt sichtbar, dass eine Änderung der Wirtschafts- und Lebensweisen erforderlich ist. Der Aspekt einer umweltverträglichen Energiewende kann, wenn wir es nutzen, neuen Schub gewinnen. Eine Chance sieht Sahm auch für den Wiederaufbau der Ukraine, insofern als dieser in Übereinstimmung mit Nachhaltigkeitskriterien erfolgen kann, d.h. die Ukraine könnte hier - sofern sie die notwendige Unterstützung dafür erhält – beim Wiederaufbau des Landes eine Vorreiterrolle einnehmen. Das alles könne aber nur passieren, wenn mehr Politikkohärenz aber auch mehr Kohärenz im gesellschaftlichen Handeln zum Leitfaden wird – nur dann kann Krisenbewältigung dauerhaft gelingen.

Die Klimaaktivistin und Autorin Lena Schilling, die hybrid in den Saal zugeschalten wurde, stellte ihre Keynote unter den Titel „Klimakrise als Frage der Demokratie“. Der Global Risk Report 2022, so Lena Schilling, führt als die vier größten Bedrohungen Krisen an, die der Klimakrise untergeordnet sind. Das untermauere nochmals die Dringlichkeit und Bedeutung der Maßnahmen gegen die Klimakrise und die Tatsache, dass die Klimakrise nicht „stehen bleibe“ weil andere Krisen dazukommen oder in den Vordergrund treten.

 
In der Klimabewegung gibt es aktuell 2 Hebel –Mobilität und Energie - die bedient werden. Mobilität ist der Sektor, in dem die Emissionen in Österreich in den letzten 30 Jahren am meisten angestiegen sind. So ist jedes dritte neu zugelassene Auto seit 2019 ein SUV – aktuell sind 5,2 Mio. Autos auf Österreichs Straßen zugelassen. Die zweite Frage ist die Energiesicherheit und der Ausstieg aus der fossilen Energie und damit die Unabhängigkeit von autokratischen Regimen. Dass von 2000 bis 2020 535 km an Schienen abgebaut und 319 km an Autobahnen dazu gebaut wurden sei, so Schilling, eine politische Entscheidung, die zu mehr Verkehr und einer Erhöhung der Emissionen geführt hat. Mehr Verkehr anstelle eines Mobilitätskonzepts, das möglichst vielen Menschen den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln erleichtert. Das ist einer der Gründe weshalb sich die Klimabewegung gegen neue Straßen und Autobahnen wendet und in Österreich lt. einer Studie des Klimavolksbegehrens dafür auch eine Mehrheit findet. Die Absage des Lobautunnels habe gezeigt, dass lokale Kämpfe für den Klimaschutz gewonnen werden können, wenn man an den richtigen Stellen schraubt und in konkreten Momenten gemeinsam gegen Projekte aufsteht.

Die „theory of change“ sei dabei - und das versucht die Klimabewegung - Mehrheiten zu verschieben, sodass Meinungen sich ändern und die Mehrheit sich der österreichischen Bevölkerung sich für die Klimaziele ausspricht. Ein Erfolg der jungen Klimabewegung sei, dass in der Gesellschaft, über den Medien über das Klima, die Klimaproblematik geredet wird. Diese Aufmerksamkeit ist wichtig um möglichst viele Menschen zu erreichen und sie mitzunehmen. Denn wenn etwas geschehen soll, müssen alle die Klimabewegung sein. Dass dies möglich ist zeigt der Klimastreik - in 150 Ländern und 2966 Städten auf der ganzen Welt haben Millionen Menschen für Klima gestreikt – das kann nicht unbeachtet bleiben.

Eine Möglichkeit, so Lena Schilling, sich fürs Klima einzusetzen, ist ziviler Ungehorsam als Mittel der Demokratie und Möglichkeit zum Engagement. Die Klimakrise werde sich derzeit nicht im Parlament lösen, insofern als Regierungen Dinge versprechen, an die sie sich nicht halten. Eine gute Möglichkeit der Partizipation und des Engagements, so Schilling, sind auch Bürger*innenräte wie der Klimarat, der aus dem Klimavolksbegehren entstanden ist. Der Klimarat hat an alle Politiker*innen des Nationalrats Empfehlungen mit entsprechenden Maßnahmen übermittelt. Eine Forderung war z.B. das Vernichtungsverbot von Retouren und Ladenhütern das von der Leonore Gewessler vorgeschlagen wurde. Auch wenn nicht alle Forderungen umgesetzt werden, so kann der Klimarat ein schlagkräftiges Instrument sein, das – auch ergänzt um Energieräte – als demokratisches Instrument genutzt werden kann. Aktuell kann ein Klimarat nur von Regierungen eingesetzt werden und es ist unklar, was mit den Ergebnissen passiert. Was dabei fehlt und in Zukunft eingefordert werden muss, ist die Verpflichtung zur Umsetzung. Ziel muss es sein, Klimaräte auch „von unten“ in den Städten oder Gemeinden zu organisieren und damit neue Strukturen aufbauen. Lena Schilling schloss ihre Keynote mit dem Satz „Wir haben eine Welt zu gewinnen, wenn wir gemeinsam bereit sind, dafür zu kämpfen! Es ist 2023. Wir haben nicht mehr so viel Zeit!“



 

Workshops und abschließendes Plenum

In den drei anschließenden Workshops gab es im Anschluss die Möglichkeit, die in den Impulsvorträgen aufgeworfenen inhaltlichen Aspekte mit Astrid Sahm und Martin Auer weiter zu vertiefen sowie in einem dritten Workshop gemeinsam mit Andreas Schütz von der Solidarwerkstatt Österreich unter dem Titel „Klimagerechtigkeit braucht Frieden. Was tun?“ lokale Aktivitäten zu diskutieren. Ergebnis dieses Workshops war die Planung einer Kundgebung im Februar 2022 zum Thema „Friede-Klima-Gerechtigkeit“.
In der Abschlussrunde stellten sich Astrid Sahm, Lena Schilling, Martin Auer und Lucia Göbesberger, Referentin für Umwelt und Soziales der Diözese Linz, den Fragen des Publikums. Martin Auer und Lena Schilling betonten dabei, dass es notwendig sei, sich im Engagement für das Klima mächtige Verbündete, seien es einflussreiche Organisationen wie z.B. die Gewerkschaften oder einzelne Politiker*innen zu suchen, da das Interesse am Austausch von Seiten der Politik gering sei.

Entscheidend sei die Frage des Menschenbildes, brachte Lucia Göbesberger in die Diskussion ein, insofern als es um ein gutes Leben für alle gehe und die ökologische Frage nur gemeinsam mit der sozialen Frage gelöst werden könne. Man müsse wieder mehr dazu übergehen, sich als Gemeinschaftswesen zu betrachten, in Netzwerken zu denken und eine Kultur des Dialogs zu pflegen. Wichtig sei, dass wir gemeinsam darüber nachdenken, was gutes Leben für uns bedeutet.
In diesem Zusammenhang gilt es auch zu überlegen, welche Bedürfnisse die Menschen tatsächlich haben und wie man diese, unter Einbeziehung des Gemeinwohls, berücksichtigen kann. Denn die Wirtschaft ist für die Menschen da und nicht umgekehrt. Die Jugend von heute weiß, dass sich die Wohlstandserzählung nicht mehr ausgehen kann und der Sozialstaat sie nicht mehr tragen wird. Sie haben eine Zukunft zu gewinnen.